Was zum Henker… macht eigentlich ein Lektor?
Okay, Lisa – ist ja schön, dass du in der Buchbranche arbeitest. Aber was genau treibst du da eigentlich den ganzen Tag? Was ist dein Job? Und was macht eigentlich dieser mysteriöse „Lektor“ den ganzen Tag, um den sich so viele Mythen ranken und der alle sein wollen, aber niemand ist?
Das sind genau genommen zwei Fragen. Ich fange mal mit der einfacheren an.
Was ist dein Job?
Ich bin Volontärin in einem Wissenschaftsverlag – mein Volontariatsschwerpunkt ist das Lektorat. Gerade arbeite ich also der tatsächlich richtig echten Lektorin des Verlags zu. Das kann bedeuten, dass ich Texte (oder Kalender^^) setze, Artikel auf Fehler überprüfe, Sprachproben durchhöre oder auch mal eine Werbekampagne bei Facebook schalte. Das Schöne daran: Ich muss wirklich seltenst nach neuer Arbeit fragen, meistens ergibt sich irgendwas Neues, dem ich mich ungefragt widmen kann. Das kenne ich aus Praktika bisher so gar nicht – es sorgt dafür, dass ich mich besser eingebunden fühle und nicht immer mit schlechtem Gewissen jemanden „nerven“ muss, damit er/sie mich mit irgendwas möööglichst Sinnvollem beschäftigt.
Trotzdem ist die Arbeit entspannt – im Verlagshaus ist es selten mal richtig chaotisch, denn es kommen niemals zwanzigtausend Deadlines auf einen zu, es laufen nie zwanzigtausend Werbekampagnen gleichzeitig, weil die Literatur und ihre Leser speziell sind und jeder seinen festen Bereich hat. Der Fokus des Verlags liegt nicht auf „möglichst schnell möglichst viel, das sich möglichst gut verkauft“, sondern eher auf „möglichst sorgfältig möglichst Zielgruppengenaues“. Das entschleunigt, erhöht aber auch den Druck – man will ja einem gewissen Qualitätsstandard gerecht werden.
Die Lektorin meines Verlages entscheidet gemeinsam mit dem Geschäftsführer, welche Veröffentlichungen sinnvoll und umsetzbar sind und steht in engem Kontakt mit den AutorInnen, mit denen ständig aktuellere Versionen ihrer Manuskripte ausgetauscht werden.
Und was macht nun ein Lektor generell?
Das kommt immer ganz auf den Verlag an, in dem er/sie arbeitet. Reden wir von einem großen Publikumsverlag? Dann wird der/die LektorIn eher ein Projektmanager sein, einzelne Bücher auf dem Weg zur Veröffentlichung betreuen und das Verlagsteam anweisen, auf genau diese hinzuarbeiten.
An anderer Stelle wird der/die LektorIn eher ein/e KorrektorIn sein. Manuskripte sichten, Fehler korrigieren, Änderungen mit dem/der AutorIn absprechen sind dann eher die passenden Aufgabengebiete.
Wieder anderswo werden im Lektorat wirtschaftliche Entscheidungen getroffen – welche Bücher passen zum Verlag? Was verkauft sich? Was ist realisierbar? Der/die Lektorin führt dann Kalkulationen durch, errechnet für jedes Manuskript Ausgaben und den voraussichtlichen Ertrag. Natürlich gibt es dann auch noch die Kombination aus all diesen Aufgaben – und dann wirds ganz bunt!
Die Arbeit als LektorIn ist immer Einarbeitung pur. Man muss lernen, sich auf den Verlag, in dem man arbeitet, einzulassen – möglichst weiß man schon vorher, um was genau es (bei den veröffentlichten Büchern) geht. Denn je nachdem muss man fachliches Wissen mitbringen (als Jurist in einem Verlag für medizinische Fachbücher zu arbeiten, wird einen nicht unbedingt glücklich machen). So oder so wichtig ist aber Stressresistenz, Wille zur Kommunikation (mit AutorInnen und KollegInnen), ein sicheres Sprachbewusstsein und vielleicht ein bisschen Organisationstalent – das macht den Beruf des/der LektorIn auch besonders attraktiv für Quereinsteiger aller Branchen.