Blogtour – Buch im Kontext: Wie funktioniert das Tätowieren?
Die Blogtour rund um das Buch „Der Tätowierer von Auschwitz“ hat uns schon durch die Gedenkstätte Neuengamme geführt, uns über die Häftlingshierarchien in Konzentrationslagern aufgeklärt und die Kennzeichnungsmethoden dort erläutert. Bei mir soll es heute um die Tattoos an sich gehen. Wie hält sich eigentlich so ein Tattoo und wie wird es gestochen? Gespannt sein dürft ihr noch auf die Beiträge bei Kielfeder, Lesefreude und Ink of Books.
Lale ist durch eine Verkettung von Umständen der Tätowierer von Auschwitz geworden. Im fallen dabei verschiedene Privilegien zu, die er nutzt, um anderen zu helfen. Dafür muss er tagtäglich die Neuankömmlinge im Lager mit ihrer Identifikationsnummer auf dem Unterarm versehen. Wie hält die Tinte in der Haut und welche Methoden wendet Lale zum Stechen an? Wie funktioniert überhaupt so ein Tattoo?
Fangen wir vorne an.
Der Brauch des Tätowierens ist uralt. Schon an der Mumie „Ötzi“ fanden sich gefärbte Einritzungen in der Haut – auch in Oberägypten entdeckten ArchäologInnen kürzlich zwei Mumien, die Tätowierungen aufwiesen. Beide diese Funde sind etwa 5300 Jahre alt, bei zweiterem vermuten Forscher* sogar einen rein kosmetischen Zweck, denn die Tattoos wurden an sichtbaren Stellen getragen und enthielten eine recht deutliche Symbolik. Die Art und Weise, wie die Farbe unter die Haut gebracht wurde, lässt sich dabei natürlich nicht mehr rekonstruieren – es gibt allerdings noch immer eine große Vielfalt an Werkzeugen dazu. Neben der elektrischen Tätowiermaschine, wie wir sie kennen, findet sich zum Beispiel bei den Völkern Polynesiens der traditionelle Tätowierkamm, mit dem Linienmuster in die Haut geklopft werden. Auch das Einschneiden der Haut mit anschließendem Einreiben der Stelle mit Asche, Tinte o.ä. wird noch praktiziert. Eine weitere Möglichkeit ist das Stechen mithilfe einer mit Faden umwickelten Nadel, die in Tinte getränkt wird.
So oder so: Das Ziel all dieser Methoden ist dasselbe: Die Farbe muss in die zweite Hautschicht gebracht werden. Dazu muss die Nadel komplett durch die oberste Hautschicht – die Epidermis – in die zweite Hautschicht – die Dermis – eingestochen werden. Sticht man zu tief, fängt das Tattoo an zu bluten und die Farbe wird wieder ausgeschwemmt. Sticht man zu oberflächlich, wachsen die Farbpigmente aus der sich ständig erneuernden Hautschicht heraus und verschwimmen.
Die Farbpartikel sind Fremdkörper. Nachdem der Körper also den ersten Brandherd, die vielen Nadeleinstiche, bekämpft hat, wird er mit dem Abbau der Farbe in der Haut beginnen. Dieser Abbau ist der Grund für das Altern eines Tattoos. Kleine Farbpartikel werden zerteilt und abtransportiert, sie landen zum Beispiel in den Lymphknoten. Einige der Farbpartikel sind jedoch zum Abbau zu groß – sie werden eingekapselt und verbleiben unter der Haut. Jedes Tattoo ist mehr oder weniger stark diesem Abbauprozess unterworfen – die Farben werden etwas weniger intensiv, Konturen „wandern“ ein wenig. Ein vollständiger Abbau erfolgt jedoch nicht von selbst.
Durch den Einsatz von Lasern können heute auch sehr alte Tattoos wieder entfernt werden. Was passiert? Die großen, eingekapselten Farbpartikel in der zweiten Hautschicht werden durch die Hitze zerlegt. Sie sind dann ebenfalls klein genug für den Abbau durch den Körper. Wer Lust hat, sich dazu weitere Infos einzuholen (und einen negativen Grundton gegenüber Tattoos ausblenden kann), dem/der sei diese Doku von Quarks & Co empfohlen.
Wie genau Lale in „Der Tätowierer von Auschwitz“ die Nummern auf die Unterarme seiner Mithäftlinge bringt, wird im Buch nicht explizit erwähnt. Historisch belegt ist der Einsatz von Nadelstempeln, die in Reihe in einem Holzblock angeordnet und dann in die Brust eingeschlagen wurden. In die frische Wunde wurde Tinte eingerieben. Ihr könnt euch ungefähr vorstellen, wie hoch das Infektionsrisiko gewesen sein muss – zumal ich nicht davon ausgehe, dass die Nadeln nach jeder* Tätowierten desinfiziert wurden…
Später stach man die Nummern von Hand mit einer einzelnen Nadel – dann eben auf den Unterarm. Auch diese Methode könnte durchaus die gewesen sein, die Lale anwenden musste. Im Buch tätowiert er ausschließlich auf dem Unterarm.
Fakt ist: Niemand wird sich dort je Gedanken gemacht haben, in welcher Hautschicht die Farbe sitzen muss oder wie ein Tattoo nach dem Stechen zu pflegen ist. Dieses Buch ist wirklich bewegend, schockierend und so, so wichtig…
Wenn ihr es selbst lesen wollt, habt ihr hier die Chance dazu – wir verlosen zweimal „Der Tätowierer von Auschwitz“ unter allen, die die Gewinnspielfrage auf jedem der teilnehmenden Blogs beantworten. Meine Frage für heute lautet:
Es gibt eine Gruppe junger Menschen, die sich im Gedenken an ihre Großeltern deren Häftlingsnummern aus Auschwitz haben tätowieren lassen. Wie steht ihr dazu?
Teilnahmebedingungen für das Gewinnspiel:
– Die Teilnahme an dem Gewinnspiel ist ab 18 Jahren möglich. Andernfalls ist eine Teilnahme nur mit Erlaubnis des Erziehungs-/Sorgeberechtigten möglich.
– Die Gewinner_innen werden per Los ermittelt.
– Die Teilnahme ist vom 27.08. bis zum 02.09. möglich, die Auslosung erfolgt am 03.09.
– Die Adressdaten werden nur zum Versand gespeichert und werden nach Zustellung des Buches gelöscht.
– Der Versand der Gewinne erfolgt nur innerhalb Deutschlands und Österreichs.
– Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
– Für den Postversand wird keinerlei Haftung übernommen.
– Eine Barauszahlung der Gewinne ist nicht möglich.
– Der Gewinner ist damit einverstanden, öffentlich genannt zu werden.
– Jede teilnahmeberechtigte Person darf einmal pro Tag an dem Gewinnspiel teilnehmen.
– Mehrfachbewerbungen durch verschiedene Vornamen, Nachnamen, Emailadressen oder ein Pseudonym sind unzulässig und werden bei der Auslosung ausgeschlossen.
Hey Lisa,
ein solches Tattoo (wie die meisten anderen auch) ist eine sehr persönliche Entscheidung, deswegen weiß ich nicht, inwieweit man sich darüber eine Meinung bilden sollte. Ich kann nur aus eigener Perspektive sprechen: Ich selbst wüsste nicht, ob ich gerade dieses Motiv wählen würde, um mich an einen geliebten Menschen zu erinnern. Wahrscheinlich nicht, da es einfach ein krasses Symbol der Entmenschlichung der NS-Zeit ist und ich lieber ein glücklicheres Andenken an Familienmitglieder hätte. Gleichzeitig ist es natürlich auch eine Mahnung, die einem dauerhaft vor Augen führt, wie grausam Menschen sein können — wer dies möchte, wer auch offen Solidarität mit Angehörigen von KZ-Häftlingen zeigen möchte: ich habe den vollsten Respekt dafür und kann das durchaus nachvollziehen. Nur wäre für mich die Vorstellung des Leidens meiner Großeltern, die bei jedem Anblick des Tattoos hervorgerufen werden könnte, zu heftig.
Alles Liebe,
Paula
Hallo liebe Lisa, schon der dritte Beitrag in dieser Blogtour und auch diesen fand ich sehr interessant. Das Thema um die Tätowierungen wird wirklich nur sehr wenig angesprochen. Man weiß es und es geht im wahrsten Sinne unter die Haut wie die Menschen damals ’nummeriert‘ wurden. Damit hat man ihnen ihre Namen und damit ein Stück ihrer Persönlichkeit genommen. Das Angehörige sich diese Nummer haben eintätowieren lassen empfinde ich persönlich als einen Ehreweis. Es gibt in den seltensten Fällen ein Grab das man besuchen kann und so trägt man diesen einen Menschen bei sich. Außergewöhnlich und doch sehr besonders.
Danke für den Beitrag und eine schöne Restwoche noch
Liebe Grüße
Kerstin
[…] Kennzeichnung in Konzentrationslagern: Schattenwege 30.08. Wie funktioniert das Tätowieren?: Lisas Bücherleben 31.08. Literaturliste: Kielfeder 01.09. : Lesefreude 02.09. : Ink of Books Teilnahmebedingungen: […]
Ich finde, das ist eine sehr schwierige Frage. Ich glaube kaum, dass „Nicht-Betroffene“ sich dazu ein Urteil bilden können bzw die Beweggründe der Angehörigen nachvollziehen können.
Ich könnte mir allerdigs vorstellen, dass es man sich heutzutage mit so einem Tattoo outet als Nachfahre eines KZ-Häftlings, und sich den Neu-Nazis sozusagen als Freiwild präsentiert.
LG
Sandra
Liebe Lisa,
auch dir vielen Dank für deinen Beitrag zur Blogtour. Ich lese gerne Roman, die über bzw. während des Zweiten Weltkrieges handeln. Ich fand das Thema Nationalsozialismus/ Judenverfolgung schon in der Schule interessant und es bewegt mich immer wieder aufs Neue.
Zu deiner Frage:
Es muss natürlich jeder selbst wissen, was er sich auf seinen Körper tätowieren lässt. Ich persönlich finde es nicht so gut, sich die Häftlingsnummer von Angehörigen tätowieren zu lassen. Ich glaube, dass könnte zu Missverständnissen führen, wenn man jemanden nicht kennt und dann diese Nummer sieht. Darüber hinaus würde ich mich nur an die schönen Dinge meiner verstorbenen Angehörigen erinnern wollen und deshalb eher ein anderes Zeichen zur Erinnerung (z.B. Geburtsdatum, gemeinsames Symbol etc.) als ausgerechnet diese schreckliche Häftlingsnummer verwenden.
Liebe Grüße
Lena
[…] Lisas Bücherleben: Wie funktioniert das Tätowieren? […]
[…] Stationen der Blogtour: 27.08: Crow and Kraken 28.08.: Lovely Mix 29.08.: Schattenwege 30.08.: Lisas Bücherleben 31.08.: Kielfeder 01.09.: Lesefreude 02.09.: Ink of […]
Hallo Lisa,
Tattoos sind ja jetzt wieder in, wenn auch diese freiwillig eintätowiert werden. Und ich denke jeder, der sich eines tätowieren lässt, macht sich darüber Gedanken, was er gerne für immer auf seiner Haut verewigen möchte. So auch diejenigen, die sich im gedenken an ihre Großeltern die Nummer eintätowieren lassen. Ob ich selbst das tun würde, kann ich nicht wirklich sagen…das ist für jeden eine persönliche Sache.
Liebe Grüße
Martina, die diese Blogtour sehr wichtig und eure Beiträge toll findet.